Hochzeiten in Wingsbach

Hochzeiten

damals  und  heute
Zur Zeit unseres ältesten Bildes der Bauernhochzeit Wittlich Wilhelm & Wilhelmine,
(Eltern von Hermann, Rudolf und Tilly verheiratete Hieß)
gehörte eine Hochzeit zu den erfreulichen Ereignissen des Jahres,
an der irgendwie alle Dorfbewohner teilnahmen.

Fam. Wittlich
Wilhelmine Wittlich geb. Witt & Wilhelm Wittlich geheiratet am 06.05.1906

 Wenn zwei Leute lange genug miteinander gingen, mit oder ohne Verlobung wurde geheiratet.
Die bevorstehende Hochzeit musste 10 Tage  im Kasten des Standesamtes Bleidenstadt und
beim Bürgermeister in Wingsbach aushängen.
Schon ein Jahr vor der dem großen Ereignis bestickte die Braut selbst, oder mit Hilfe von Mutter,
Großmutter oder Schwester die Aussteuer (Tisch und Bettwäsche) mit ihrem persönlichen Monogram.
Im Hochzeitshaus, das ist das Elternhaus der Braut, werden in der Woche vorher
umfangreiche Vorbereitungen getroffen. Es wird frisch geschlachtet, Wein eingekauft, Torten
und Kuchen gebacken und was früher ganz wichtig war, Haus und Hof wurden auf Hochglanz gebracht.
Die gut „Stub“ wird ausgeräumt um Platz für die Gäste zu schaffen. Die „Gass“ vor dem Haus gehörte
auch dazu und war sozusagen die Visitenkarte eines Hauses. Nicht nur zur Hochzeit,
sondern jeden Samstag wurde gekehrt.
Nach dem alle Vorbereitungen getroffen waren, konnte der Hochzeitstag kommen.
Freitags standesamtliche Trauung mit den Trauzeugen in Bleidenstadt  und Samstags wieder
nach Bleidenstadt zur Kirche St. Peter auf dem Berg. Vor dem zweiten Weltkrieg wurde aber auch
Mittwochs oder Sonntags geheiratet.
 weitere Hochzeitsbilder

Die drei Brautpaare sind die Kinder von Wilhelmine und Wilhelm Wittlich
Fam. Hieß
Fam. Wittlich
Fam. Petri

Eltern von Kurt, Lucie und Erwin Hieß
Tilly Hieß geb. Wittlich & Emil Hieß,
 geheiratet am 22.02.1936

Eltern von Edgar Wittlich
Hilda Wittlich geb. Brühl & Hermann Wittlich,
geheiratet 28.05.1939

Eltern von Ilse Petri
Elfriede Wittlich geb. Arndt & Rudolf Wittlich,
geheiratet am 26.09.1937

(Die Daten der Hochzeiten liegen sehr dicht beieinander zu sehen an der fast identischen Mode.
Schwarz war angesagt. Hilda und Elfriede tragen wie es aussieht den gleichen Schleier.)

Wingsbach gehörte bis 1964 zum Kirchspiel Bleidenstadt.

Am 26. November 1963 wurde die  evangelische Kirchengemeinde Hahn / Wingsbach
gegründet um für Bleidenstadt und Hahn eine bessere kirchliche Versorgung zu gewährleisten.
Wer also nach 1964 vor den Traualtar trat, konnte das in Hahn tun.
Nach dem Traugottesdienst haben sich viele Leute vor der Kirche versammelt.
Alle wollen die Braut sehen. Meist sind auch Vereine anwesend, um ihre nun verheirateten
Mitglieder gebührend zu begrüßen.

Fam. Schneider
Fam. Otto
Fam. Gilles

Herta Schneider geb. Kaiser & Walter Schneider
geh. Nov.1943

Herta Otto geb. Diefenbach  & Gerhard Otto
Hochzeit 15.04.1950

Irmgard & Willi Gilles
Hochzeit Sept. 1957

(Man staunt 1943, Krieg in Deutschland. Gab es da schon weiße Kleider ?! Kunststück, die Braut ist selbst Schneiderin.
Es war eine sogenannte Kriegshochzeit. Alles wurde von kurzer Hand geplant und auch manchmal wieder verschoben,
wenn der Mann an der Front keinen Urlaub bekam. Dennoch fuhren die Beiden mit einer Kutsche nach Bleidenstadt
zum Standesamt und zur Kirche. 1950 die Schleier sind noch lang modern. 1957 sind nicht nur die Schleier
kürzer sondern auch die Kleider werden weiter fülliger es gibt wieder mehr Stoffauswahl).

Die Sänger bringen ein Ständchen, die Feuerwehr steht Spalier und die Kinder spannen ein Seil,
das Zeichen für den Bräutigam und die Hochzeitsgäste die Braut frei zu kaufen, Münzgeld zu werfen.
Das ist ein alter Brauch der Dorfjugend.
Nach einigen Minuten des Durcheinanders wird der Weg frei gegeben.
Zurück im Dorf beginnt das Hochzeitsmahl mit Kaffee und Kuchen.
Das Paar verlässt dann für kurze Zeit die Gesellschaft,
um die Hochzeitsbilder beim Fotografen machen zu lassen. Das gehört unbedingt dazu.

Gesellschaft Wittlich
 Hochzeitsgesellschaft Wittlich 1906

 Den ganzen Nachmittag über bringen Kinder aus dem Ort Geschenke in das Hochzeitshaus und
erhalten dafür leckere Kleinigkeiten. Am Abend nach dem Essen ziehen Dorfbewohner vor allem
die Jugend zum Brauthaus, um dem Hochzeitspaar zu gratulieren und zu singen. Das Brautpaar und
die Hochzeitsgäste treten vor die Türe.
Im Hof wird Aufstellung genommen und das Ehestandslied wird angestimmt.

Mir gefällt das Ehestandsleben
besser als ins Kloster gehen,
ja Kloster gehen.
In das Kloster mag ich nicht,
denn ich bin zu der Eh`  verpflicht,
ja Eh` verpflicht.

Vater, tu dich doch erbarmen
und verschaff` mir einen Mann,
ja einen Mann
der mich drückt an seine Brust,
denn zum Heiraten hab´  ich Lust,
ja hab ich Lust

Ach, was wird die Mutter sagen,
Wenn ich sie verlassen will,
ja lassen will!
Sie mag sagen was sie will,
ich tu Heiraten  in der Still,
ja in der Still.

Der Bräutigam bedankt sich für das Ständchen mit einem Geldschein und bestimmt in welchem
Gasthaus er vertrunken werden soll. Noch ein Lied wird angestimmt.

1. Ich hab' mir eins auserwählet,
ein Mädel wie mir es gefällt,
so hübsch und so fein
von der Tugend so rein,
schön Schätzel, ach wärest du mein

2. Schön Schätzel, was hab` ich gehöret,
du hättest einen andern im Sinn,
das glaub` ich aber nicht bis dass es geschieht,
mein Herz, das schlägt immer für dich.

3. Schön Schätzel  was hab` ich gehöret,
du wolltest ins fremde Land ziehen,
bleibe  hier ich bleibe fromm,
bis ich wieder heim komm,
zwei Jahre, die sind hurtig herum.

4. Dort drunten im Keller beim Fass,
da ist es bald trocken, bald nass,
bald zapft mein Schatz Bier,
bald zapft mein Schatz Wein,
schön Schätzel wärest du mein.

Weinflaschen oder ein Tablett mit Schnaps macht die Runde und Kuchen wird gereicht, dann wird
in langer Reihe angestanden um dem Paar zu gratulieren.
Zu später Stunde ertönt Gesang nicht nur aus dem Hochzeitshaus, sondern auch aus dem
Gasthaus in dem der Geldschein von der Jugend vertrunken wird.
So geht der Hochzeitstag zu Ende an dem fast das ganze Dorf in irgend einer Weise beteiligt war.

Heute füllt das Thema „Heiraten“ ganze Seiten der Tageszeitung, ja ganze Magazine und Bücher.
Es werden  Hochzeitsmessen veranstaltet, dort erfährt man, wie das Event bis ins kleinste Detail
zu planen ist. Nichts wird dem Zufall überlassen.
Hochzeitslisten für das gewünschte Porzellan gibt es Dank Internet - online.
Mit „It´s Our Moment“ wirbt ein Juwelier. „Dress Code: Der Stil bei kirchlichen Hochzeiten
sollte eher dezent sein“. „Hochzeitsfotos nur vom Profi“. „Flitterwochen gut planen“.

Die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Rituale!

Heute hat die Kletterpartie zur einsamen Kapelle in den Alpen, oder die Trauung im
Tauchanzug unter Wasser der normalen Hochzeit längst den Rang abgelaufen.
Hochzeit mit alten Bräuchen ist out – schrill und abgefahren muss es sein, und eine kirchliche Trauung
kommt nicht bei jedem Paar in Frage, da heute viele Leute aus der Kirche austreten, um die
Steuer zu sparen.
Man heiratet, wenn schon gerne im kleinsten Kreis, am besten nur die Trauzeugen 
und nicht im Heimatort mit der Familie, sondern in der Karibik oder in Fernost. 

Na ja, mal ehrlich, nicht jeder mag so etwas.

Bei uns in Wingsbach gibt es auch heute noch „richtige“ Hochzeiten.

Nicht ganz so wie früher, aber einiges an Tradition hat sich über die vielen Jahre doch  gehalten.
Und wer weiß, was die Nostalgiewelle alles wieder bringen wird?

Fam. Petri
Fam. Guckes
Fam. Bauer

  Ilse Petri  geb. Wittlich & Karl Petri
26 01.1957

Erika Guckes geb.Guckes &
EberhardGuckes, geh.1960

Franz & Llli Bauer



Das Brautkleid einer Braut aus dem Jahr 1957 war nicht mehr unbedingt schwarz, aber bei Ilse hatte die Schwiegermutter
beschlossen, es darf kein weißes Kleid sein und als junge Frau damaliger Zeit gab es keine Wiederrede. Den weißen Schleier
bekam sie von Gertrud Schneider geliehen, aber sie denkt heute noch daran, wie gerne sie ein weißes Kleid getragen hätte.
Erika Guckes / Wedel heiratete 1960 Eberhard Guckes aus Steckenroth. Sie wollte nur standesamtlich heiraten.
"Nein, ein Brautkleid ist nichts für mich, ein strenges Kostüm passt besser zu mir," so die Aussage der Braut.
Das Kleid von Lilli Bauer wurde von Herta Schneider genäht und hier wurde Fallschirmseide zweckentfremdet mangels
passendem Stoff .Man könnte das Modell auch "Not macht erfinderisch" nennen. Darüber machte man sich aber zu dieser Zeit keine
Gedanken, vor allem wenn der Nachwuchs sich schon angekündigt hatte.

Wie schön, dass jede Braut mit traumwandlerischer Sicherheit
 ihr Kleid findet, das ihre Persönlichkeit unterstreicht.

An den zusammen getragenen Fotos von Wingsbacher Paaren, einheimische oder eingeheiratete, kann man gut über die Jahrzehnte hinweg die Veränderung der Brautmode beobachten und es gibt sicher auch ein paar Anekdoten zu lesen.

Es folgen immer wieder neue Bilder, in wechselnder Folge und im Familienvergleich damals und heute.

Na, Lust aufs Heiraten bekommen? Nein! ? Aber schmökern kann man ja trotzdem!

Wingsbacher Hochzeitsbilder

Von: Karin Hieß, zuletzt bearbeitet am 27.04.2009